Start in die neue Saison
Die Arena of Change geht in die zweite Runde. Wir haben einige der 60 Münchner Schüler:innen beim ersten Rundgang auf dem FC Bayern Campus begleitet, wo sie in den kommenden zwei Jahren viel erleben und noch mehr lernen werden. Eins steht fest: Ihr Teamgeist stimmt schon jetzt!
„Dort wo wir jetzt hingehen, haben nicht mal alle FC Bayern-Mitarbeiter Zutritt“, sagt Eric Mbarga zu seinen aufmerksamen Zuhörern im Alter zwischen acht und vierzehn Jahren. Aber ehe der Jugendschutzbeauftragte des FC Bayern München die Führung über den FCB Campus beginnt und die Kinder und Jugendlichen das Stadion, die Trainingsräume und das Fußballinternat besuchen dürfen, hat Mbarga noch eine Frage: Was braucht man, um erfolgreich zu sein? „Training!“, sagt ein Junge schnell. „Disziplin“, „Zielstrebigkeit“, „Ausdauer“, „Teamplay“, sind sich seine Kamerad:innen sicher, bevor die 8-jährige Liva den vielleicht wichtigsten Faktor nennt: „Spaß?“
Das passt zur Arena of Change, dem Bildungsprojekt, das der FC Bayern und die SOS-Kinderdörfer weltweit seit 2020 auf dem Campus betreiben. Dort sollen 60 Münchner Kinder und Jugendliche ihre eigenen Stärken, Talente und Grenzen spielerisch und mit viel Freude entdecken und erweitern, Ängste und Hemmungen überwinden und ein positives Selbstwertgefühl entwickeln. Ende Oktober begann bereits die zweite „Saison“ der Arena of Change: Der FCB-Mitarbeiter Eric Mbarga und die Arena of Change-Pädagoginnen Anna Kronen und Teresa Jehlicka zeigen den altersübergreifenden Gruppen von je fünfzehn Mädchen und Jungen aus fünf Münchner Schulen ihren neuen Spiel-, Sport- und Lernplatz: Knapp zwei Jahre lang werden sie einen Nachmittag pro Woche in einem eigenen Raum auf dem FCB-Campus verbringen.
Erste Station: Die Athletikabteilung. Unter Anleitung von Leiter Carsten Schünemann absolvieren die Kinder ein Hochleistungstraining auf dem grünen Kunstrasen, der sonst den Spielern der Nachwuchsmannschaften vorbehalten ist: Binnen drei Sekunden sollen sie auf zwei weißen, quadratischen Feldern so schnell wie möglich von einem Bein auf das andere tippeln; die Bewegungen werden dabei von digitalen Sensoren erfasst. Die 8-jährige Zerya, eine der jüngsten Teilnehmerinnen, meldet sich freiwillig als Erste und legt mit 26 Mal gut vor (der Campus-Rekord steht bei 51). Als der ältere Sahil sie mit 31 übertrumpft, will Pädagogin Teresa sie trösten, doch das Mädchen mit den schwarzen Locken meint nur: „Ist doch nicht schlimm, dass er besser war. Darf man noch mal?“
Wer knackt den Campus-Rekord?
Bei der zweiten Aufgabe geht es darum, so schnell wie möglich aus der Mitte in die Ecken des Feldes zu sprinten und wieder zurück. Dabei müssen die Kinder jeweils mit dem Fuß in ein weißes Quadrat treten, um die Sensoren an den Ecken zu aktivieren. Das spielerische Koordinations- und Sprinttraining weckt den Wettbewerbsgeist der Kinder – vielleicht auch, weil die Schnellsten und Engagiertesten sich ein High five von Trainer Schünemann abholen dürfen. Die Übung zeigt aber auch, dass Gruppendynamik Menschen auf positive Weise dazu bewegen kann, ihre eigene Komfortzone zu verlassen: Eines der älteren Mädchen traut sich zunächst nicht recht; doch als ihre AoC-Kolleg:innen ihr Mut zusprechen, überwindet sie sich und stellt sich der Herausforderung – obwohl sich die Gruppe erst wenige Male gesehen hat. „Gemeinsame Spiele helfen den Kindern, ihre Scheu voreinander abzubauen und ihre Komfortzone zu verlassen“, sagt Pädagogin Anna Kronen. „Dadurch lernen sie sich besser kennen und auch, einander zu vertrauen.“
Nach diesem beherzten Einsatz haben sich die Kids eine Auszeit verdient. Physiotherapeut Simon Haas öffnet die Türen des Reha-Bereichs. Hier werden Spieler:innen des FC Bayern behandelt, wenn sie sich verletzt haben oder erholen müssen – in dem Raum reiht sich eine Massageliege an die andere. Weil der 11-jährige Karlo laut über Rückenschmerzen klagt, darf er sich sogleich auf eine der Liegen legen und sich einer Magnetfeldtherapie unterziehen. Elektrisch erzeugte Magnetfelder, erklärt Simon Haas, werden unter anderem dazu eingesetzt, Entzündungen zu hemmen, Schmerzen zu lindern oder die Heilung zu unterstützen. „Das kitzelt“, murmelt der Junge, während das Gerät seine Muskulatur lockert.
Anschließend stellen sich zwei 14-jährige Nachwuchsspieler, Lennart Karl und Wisdom Mike, den Fragen der Kinder. Beide Fußballer haben einen Vertrag über drei Jahre mit dem Verein unterschrieben und sind vor Kurzem auf dem Campus eingezogen. Als Lennart einen Trick mit dem Ball zeigt, staunen die kleinen Fans: „Woah, wie cool!“ Dass sie anschließend sogar Wisdoms Zimmer betreten dürfen, verschafft den Kindern erst recht ein VIP-Gefühl. „Er hat so viele Sportschuhe!“, ruft die 9-jährige Mia fassungslos.
Ein besonderer Ort für besondere Kinder
Lennart und Wisdom sind nicht die einzigen Nachwuchstalente, mit denen die AoC-Kids an diesem Tag Bekanntschaft machen. „Die Kinder wirken sehr aufgeweckt und fröhlich auf mich“, sagt die 18-jährige Juliane Schmid, Torhüterin in der zweiten Damenmannschaft des FC Bayern. „Für uns Spieler:innen ist der Campus eben Alltag. Es ist toll, die Anlage durch die Augen der Kids zu sehen und sich zu erinnern, wie besonders es ist, hier zu sein.“
Zum großen Finale der Führung dürfen die Teilnehmer:innen dann noch das Allerheiligste besuchen – sich auf dem Stadionrasen des Campus austoben. Die Mädchen schlagen Räder und machen Handstände, die Jungs rasen um die Wette und spielen natürlich Fußball. Die FCB-Torhüterin Juliane sieht ihnen dabei von der Seitenlinie zu und lächelt. „Ich denke, der Campus kann den Kindern sehr viel Spaß, Freude und viele Erlebnisse bieten. Ich wünsche ihnen, dass sie eines Tages auf die Zeit in der AoC zurückblicken und sagen: Ich bin froh, dass ich ein Teil davon war, denn es hat mich geprägt.“
Auf dem FC Bayern Campus geht es nicht nur um Schnellkraft, Fußballtechnik und Rekorde. „Hier auf dem Campus werden die Kids Zeuge davon, dass soziale Grenzen überwunden werden können“, sagt der FCB-Jugendschutzbeauftragte Eric Mbarga. Ihm gefällt die Arena of Change vor allem deshalb, weil hier Begegnungen zwischen Kindern aus unterschiedlichen Stadtteilen, Schultypen und Altersgruppen ermöglicht werden. Denn so ist es ja auch in einer Sportmannschaft. Eric Mbarga sagt: „Dass aus dieser Heterogenität eine Gemeinschaft entsteht, Berührungsängste abgebaut werden und die Kinder ein Gefühl von Verantwortung füreinander und sich selbst entwickeln, finde ich großartig.“
Fragt man die Teilnehmer:innen, was sie hier erreichen und erleben wollen, bekommt man ganz unterschiedliche Antworten. Zerya will „mehr über Fußball lernen“, Mia hofft, sich in der „Kommunikation mit anderen Menschen“ zu verbessern und Kiyan will „weniger Quatsch“ machen. In den kommenden zwei Jahren werden sie viele Workshops, Ausflüge und Projektarbeiten machen, neben Sport spielen auch Kreativität und Wissenschaft eine große Rolle. Das Ziel des Projekts ist es nicht, Bestwerte aufzustellen oder Lehrpläne zu erfüllen, erklärt Pädagogin Anna Kronen. „Ich wünsche den Kindern, dass sie Seiten und Fähigkeiten an sich entdecken, die sie vorher nicht kannten.“