Wer nicht wagt, gewinnt nicht

Restart nach der Sommerpause: mit der großen Mini-Olympiade. In verschiedenen Disziplinen testen die Kinder ihre Leistungsfähigkeit – und helfen einander. Ein Spielbericht.

24.09.2021

Das Wiedersehen nach den Sommerferien ist herzlich – und ziemlich laut: Die Kinder freuen sich sichtbar und rufen sich aufgeregt zu, was sie in den Ferien erlebt haben, oder: „Wie sind deine neuen Lehrer?“ Die beiden Pädagoginnen der Arena of Change haben kurz Mühe, Ruhe in die aufgeregte Runde zu bringen: „Wir setzen uns jetzt mal in den Kreis und dann erzählt jeder, welches sein schönstes Ferienerlebnis war!“, ruft Teresa Jehlicka. So holt sie die Kinder gedanklich sofort ab und bringt gleichzeitig Struktur in das Wiedersehen.

Bevor es sportlich wird, erst mal plaudern: Wie geht es euch? Was habt ihr in den Ferien erlebt?

„Ich war mit meiner Familie in Kroatien“, erzählt ein Junge. „Wir waren Wandern im Bayerischen Wald“, berichtet Alice, 11 Jahre alt. Ein anderer Junge schwärmt vom Besuch der Münchner Automesse IAA. Vier Wochen lang hat auch die Arena of Change während der großen Ferien pausiert, davor gab es ein kleines Betreuungsangebot nach Bedarf für die Kinder, die nicht verreist waren.

Spaß haben und sich testen

„Jetzt mal eine Frage an alle: Gab es denn im Sommer ein großes Sport-Ereignis, an das ihr euch erinnern könnt? Eines, das auch im Fernsehen übertragen wurde“, fragt die Pädagogin Anna Kronen. Die Kinder überlegen und kommen recht schnell auf die richtige Antwort. Olympia? Richtig! „Wir werden heute eine eigene Olympiade veranstalten!“ Großer Jubel.

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„Es ist unglaublich schön, wie motiviert die Kinder sind und wie gut sie die Ideen, die wir entwickelt haben, auch annehmen“, erzählt Verena Milasta, die Projektleiterin der SOS-Kinderdörfer weltweit, während auf dem Sportplatz die Maßbänder für den Weitsprung verteilt werden und die Handzettel, in die die Ergebnisse eingetragen werden. Die Disziplinen der Mini-Olympiade: Weitsprung aus dem Stand, ein 6-Minuten-Dauerlauf, Rückwärtsbalancieren, 20-Meter-Sprint, Rechts-und-links-Springen, Sit-ups und Liegestützen. Wie sind die Pädagoginnen auf dieses Programm gekommen?

Mut machen, um sich zu testen

„Die Disziplinen stammen aus dem Deutschen Motorik-Test“, sagt Verena Milasta. Dieser Test wurde von Experten der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft extra für 6- bis 18-jährige Jungen und Mädchen entwickelt, um deren motorische Fähigkeiten einordnen zu können. Nicht alle Kinder haben das gleiche Leistungsniveau. Manche treten beim Balancieren bereits nach zwei Schritten über die Holzbalken, andere schaffen es durchgängig bis zum Ende. Auffällig ist dabei: Alle machen mit, die Kinder motivieren und trösten sich gegenseitig und haben sichtbar Freude am Kräftemessen.

20 %
der Jugendlichen in Deutschland bewegen sich eine Stunde pro Tag, wie es die WHO empfiehlt.

Es geht nicht nur um Spaß und Wettbewerb bei der Mini-Olympiade, sondern auch um die Wahrnehmung der eigenen motorischen Fähigkeiten.

„Wichtig ist uns vor allem, dass die Kinder hier in der Arena of Change einen geschützten Raum haben“, sagt Pädagogin Teresa. „Wir wünschen uns, dass sie alles wenigstens einmal versuchen, ohne Angst zu haben, bewertet zu werden.“

Dann erzählen die Pädagoginnen, dass es zu Beginn des Projekts ein paar Bewegungsmuffel gab, die sich nicht so gern bewegt haben. Bei manchen Übungen seien sie manchmal stehen geblieben. In solchen Momenten setzen Anna und Teresa die Kinder nicht unter Druck, sondern ermutigen sie mit viel Empathie, mal etwas Neues auszuprobieren – gerade wenn es einem schwerfällt. „Das ist ein Vorteil gegenüber der Schule, wir müssen hier keine Noten geben“, sagt die Pädagogin Anna. „Dadurch trauen die Kinder sich eher mal, etwas auszuprobieren.“

Heute nehmen diese Kinder wie selbstverständlich an der Olympiade teil, lassen keine Disziplin aus.  

Und es gibt noch eine weitere positive Entwicklung: Nach der Sommerpause gab es einige Schulwechsel, manche Kinder haben den Sprung von der Mittelschule auf die Realschule geschafft. „Darüber haben wir uns natürlich sehr gefreut und wir wollen die Kinder auch weiterhin unterstützen, damit sie in der Schule Erfolg haben“, sagt Teresa. Deshalb wird es in den nächsten Wochen auch ein Anti-Stress-Training geben, um Schuldruck zu vermeiden und den Kindern Ideen zu vermitteln, mit denen sie etwa die Zunahme an Hausaufgaben in den höheren Klassen auch weiterhin meistern können. Außerdem steht der Besuch einer Ernährungsberaterin an. „Gesunde Ernährung ist für die Kinder weiterhin ein großes Thema“, sagt Teresa Jehlicka. Weil durch den monatelangen Corona-Lockdown Schule nur noch digital stattgefunden hat und Sport weitgehend ausgefallen ist, leiden viele Kinder an den Folgen von Bewegungsmangel.

Und ganz wichtig: zwischendurch entspannen

Wie kann man bei all den wichtigen Themen vermeiden, dass die Workshops in der Arena of Change die Kinder nicht überlasten? Wie hält sich die Motivation und wie entsteht ein Spannungsbogen? „Alle vier bis fünf Wochen veranstalten wir immer die sogenannte Break-Woche“, sagt Anna Kronen. Eine Woche, in der ein besonderer Ausflug ansteht, auf den die Kinder sich freuen können und auf den sie quasi „hinarbeiten“ – etwa ein Trip in den Trampolinpark AirHop oder ins Deutsche Museum.

Kein Wunder also, dass die Mädchen und Jungen durchweg gern an der Arena of Change teilnehmen. „Die positiven Rückmeldungen von Kindern, einigen Eltern und Lehrern bestätigen, wie wichtig das Projekt ist“, sagt Verena Milasta.

„Ich war sehr glücklich, dass es wieder mit der Arena of Change weitergeht nach den Ferien. Ich mag Teresa und Anna so gern und mit den anderen Kindern bin ich inzwischen befreundet“, sagt Aida, 12 Jahre alt.

Was gefällt ihr an der Mini-Olympiade besonders gut?

„Ich find's gut, wenn ich mich noch verbessern kann und wir uns hier gegenseitig helfen. Am besten hat mir heute das Sprinten gefallen.“ Die Beste war sie dabei zwar nicht. „Aber darum geht es hier ja gar nicht“, weiß Aida.

„Es ist zwar ein Wettkampf, aber es ist nichts, vor dem man Angst haben muss“, sagt auch Johanna, 13 Jahre alt. „Man kann es hier überhaupt nicht mit Schule vergleichen, es ist eher wie Freizeit, ich komme jede Woche gerne her. In den Spielen von Anna und Teresa steckt immer etwas mehr drin als nur Spaß. Ich lerne auch immer etwas Neues.“